Folge 3 - der Bildermarkt

 
Montag, 05.03.2018

Seit 10 Jahren sitzen wir als Bildbeschaffer im schönen Karolinenviertel Hamburgs. Die Branche kennen wir seit 20 Jahren: Wie die gesamte Kommunikationsbranche war sie auch damals schon turbulent, heiß umkämpft und steckte mitten drin im digitalen Sog. Und doch war sie auch damals schon so klein und zart besaitet wie heute.

Zart besaitet

Wir als Bildbeschaffer bearbeiten für unsere Kunden aus Unternehmen und (Werbe-)Agenturen ja den Markt der kommerziellen Fotografie und deren Agenturen. Nur selten arbeiten wir für die Presse, die sich ganz anders in diesem Markt bewegt. Wenn wir uns anschauen, wie relevant Bilder für ihre Nutzer sind, stellen wir fest: Für Zeitungen ist das Pressebild zusammen mit der Nachricht natürlich viel wichtiger als das freigestellte Wölkchen, das ein Grafiker mit vielen anderen Bildern in seine Layouts montiert. Von einem dpa- oder Reuters-Bild erwarten die Kunden eine korrekte und schnell gelieferte „Nachricht", von einem Stock-Foto schlicht ein einfaches Handling. Im Vergleich zum Kriegsreporter mit Kamera ist der Hobbyfotograf ja doch ein Leichtgewicht. Heute kann jedermann seine guten Bilder über EyeEm, Photochain und parallel direkt über die vielen Microstock-Agenturen anbieten. Das Phänomen Microstock – Fotolia, Shutterstock, istockphoto etc. – hat sich vor zehn Jahren in Werbeagenturen und Unternehmen etabliert. Was Anfang des Jahrtausends aus der Programmierer-Szene rund um Bilddatenbanken entstand, hat über die Jahre eine anstrengende Lernkurve hingelegt. Heute ist Shutterstock nach Getty Images Nummer Zwei, Fotolia (jetzt ja AdobeStock) Nummer Drei und dann kommt lange nichts.

Digitaler Sog

Denken wir einmal zehn Jahre zurück. Im März 2008 stellte Facebook seine deutsche Website-Version live – mit mäßigem Erfolg: 1,2 Millionen Besucher tummelten sich pro Monat auf Facebook.de. Und eine Mobil-Version gab es noch nicht, denn das iPhone war ja erst seit einem halben Jahr in Deutschland zu haben – exklusiv bei der Telekom. Sie erinnern sich. Die heute selbstverständlichen Social-Media-Nutzungen waren damals noch schlicht unbekannt. Aber mit flickr hatte sich eine Fotoplattform entwickelt, die von Amateuren als Schaubühne genutzt wurde, teilweise aber auch von Profi-Fotografen als Transportweg ihrer Bilder vom Shooting hin zum Kunden. Findige Leute fischten dabei die Bilder ab und verkauften sie über Microstock-Portale. Die Microstocks waren noch so grün hinter den Ohren, dass sie erst durch diesen Bilderklau 2006 erkannten: Es macht Sinn, eine Vereinbarung mit dem Fotografen zu treffen, die besagt: Wer Bilder hochlädt, der muss die Vermarktungsrechte besitzen. Und vor zehn Jahren lernten die Microstocks auch, dass Personen ein Model Release unterschreiben sollten, wenn ihre Bilder verkauft werden. Zack, plötzlich waren viele, viele Bilder gelöscht. Wer damals nach Mönchen in Thailand suchte, fand nur Hinterköpfe – Bilder, auf denen die Personen nicht erkennbar waren. Über Jahre hinweg gab mindestens eine der Microstock-Agenturen – sei es Fotolia, Istock, Shutterstock, Dreamstime, Panthermedia, photocase oder shotshop – jeden Monat neue AGB und überarbeitete Lizenztexte heraus, sodass es schwer war, den aktuellen Stand der Lizenzen im Blick zu behalten.

Dass die Microstocks damals mit Preisen lockten, die bei einem einzigen Prozent der damals sonst üblichen Honorare (RM und RF) lagen, brachte niemanden zum Grübeln. Aber als wir vor zehn Jahren als Bildbeschaffer begannen, wurde die Grafik-Abteilung einer Werbeagentur einmal liebevoll vom Chef die „Generation Shutterstock" genannt. Niemand las das Kleingedruckte, sondern nutzte die Bilder aus dem Shutterstock-Abo. Meist nur für Layouts, Tests und Mock-ups, oft aber auch für die finalen Artworks großer Unternehmen – und dabei ging dem einen oder anderen Werber und Kommunikator der Sinn dafür verloren, dass Bilder ihren Wert haben – kreativ und wirtschaftlich. Mehr als Strg-C und Strg-V war nicht nötig, um den Gedanken „Darf ich das? Besitze ich eine Lizenz?" zu verscheuchen. Innerhalb von drei Jahren war es vielen Bildnutzern nicht mehr zu vermitteln, dass ein Bild mehr als 10 Euro kosten kann.

In diesem digitalen Sog verschwindet mehr und mehr das lizenzpflichtige Preismodell, das für jede einzelne Nutzung ein Honorar einfordert. Zwar sind noch viele Fotografen den teuren, lizenzpflichtigen Agenturen treu – aber diese Spezies stirbt aus und Fotografen wandern mit ihren Bildern zu den Anbietern mit einfachen Lizenzen. Auch die Kunden sehen lizenzpflichtige Bilder mittlerweile als tickende Zeitbomben: Die Bilder liegen digital vor, man kann sie nicht mehr „weg-sperren" und jede neue Nutzung muss bezahlt werden, sonst findet es die Agentur und mahnt ab.

Deshalb legte auch Offset 2012 einen Glanzstart hin: Shutterstock hat dieses Spin-off gegründet, um seinen Kunden hochwertige Bilder anbieten zu können – mit dem einfachen lizenzfreien Modell und regulären Preisen auch über 500 Euro. Auch Stocksy, 500px und Filmanbieter wie evolve oder pond5 starteten erfolgreich, weil ihr Lizenzmodell einfach war: ein günstiger Basis-Preis „für Jedermann" und je nach Nutzung mit Zusatzlizenzen für die erweiterte Auflage, Datenbanknutzung etc.

Heiß umkämpft

Mittlerweile ist die Lernkurve der Microstocks ziemlich weit: istock gehört seit zwölf Jahren zu Getty Images und ist ein sehr aktiver Teil innerhalb der kommerziellen Angebote. Shutterstock – umsatzmäßig Nr. 2 – ist stolz auf seine vier Stockwerke im Empire State Building gezogen und Fotolia ist unter das Dach von Adobe geschlüpft und geht derzeit im „Ökosystem" der Adobe-Produkte auf. Und deutsche Microstock-Anbieter wie 123rf oder panthermedia punkten mit dem Argument „Kein Gerichtsstand in den USA". Gleichzeitig hat auch der teurere Teil des Bildermarktes auf die veränderten Preisvorstellungen der Kunden reagiert. Die einen haben die Segel gestrichen – am spektakulärsten Corbis vor zwei Jahren – das Archiv, das Bill Gates gründete und das über den Umweg einer chinesischen Bildagentur zu Getty kam. Leiser ging es bei Masterfile zu, dessen Europa-Geschäft zuerst bei einer Agentur in Wien lag, die viele unerlaubte Nutzungen kapitalisierte – und die jetzt als Marke bei Mauritius Images unterkam. Apropos Mauritius: Die älteste Universalbild-Agentur Deutschlands galt über Jahre nicht gerade als Kreativ-Schmiede. Sie hat aber mit einem neuen Geschäftsführer frischen Wind bekommen und wir hoffen, dass das alte Schiff wieder reichlich Fahrt aufnimmt. Wir begleiten Mauritius mit zwei Veranstaltungen am 15. und 16. Mai in Hamburg und München, bei denen unser Alex Karst die Impulsvorträge beisteuert. Generell scheint die gute Wirtschaftslage für neuen Schwung zu sorgen: Der Zusammenschluss von Trunk Archive, Gallerystock und Folio ID bringt neuen Elan in den hochpreisigen und kreativen Sektor, Stockfood in München verbreitert sein Angebot in unterschiedlichen Bereichen und EyeEm mischt den technischen Teil neu auf.

Was also haben die letzten zehn Jahre dem Bildermarkt beschert? Ganz klar: Nichts ist so, wie es war. Um die vier Säulen des Marketing-Mixes zu erwähnen: Das Produkt: ist neu – Handyfotos in Profi-Qualität, bestimmt 50-mal mehr verkaufende Fotografen, neue Lizenzen. Und eine Produktvariante hat sich etabliert: Die Nachforderung oder Abmahnung. Der Preis: hat sich reduziert. Wobei nicht gleich von 400 auf 4 Euro reduziert wurde, denn 4 Euro kostete die „Standard-Lizenz" – und die ist ja nur für die Pizzeria um die Ecke gedacht, nicht für Unternehmen mit einer Kommunikationsabteilung. Mit Unternehmenslizenzen sind wir also eher bei 40 bis 240 als bei 4 Euro. Dritte Marketing-Säule – die Distribution: Vor zehn Jahren war die Digitalisierung voll im Gange, jetzt ist sie abgeschlossen. Dias und Prints kommen in der Bilderbranche deutlich seltener vor als Vinyl-Platten unter den DJs und die Zeiten der Bilderserien auf CD sind endgültig vorbei. Zu guter letzt die Säule der Kommunikation: Die Branche ist für viele Zeitschriften wie die w&v oder horizont kein relevanter Markt mehr, es wird kaum über Bildagenturen geschrieben. Allerdings hat sich der pictaDAY, die Hausmesse des BVPA (Bundesverband der professionellen Bildanbieter) etabliert, der dieses Jahr am 19. April in München stattfindet.

Es gibt auch viele alte Hasen der Branche, die schlicht ihr Interesse am Bildverkauf verlieren. Wie zum Beispiel Gerhard Höfer, der mit seiner Hamburger Agentur lavendelfoto seit 2005 alle Heilpflanzen fotografiert und in Deutsch, Englisch, Französisch und Latein verschlagwortet hat. Seine Website wurde allerdings bald nur noch als kostenloses Übersetzungs-Tool für Botaniker genutzt, sodass sich Herr Höfer aus dem „offenen" Internet verabschiedet hat, um sich den Pflanzen der traditionellen chinesischen Medizin zu widmen. Statt sich über Bilderklauer zu ärgern, hat Herr Höfer in einem Alter, in dem andere ihren Ruhesitz beziehen, so viel gelernt, dass er jetzt simultan von Latein ins Chinesische übersetzen kann und er möchte dieses Wissen bald einem Projekt der englischen Kew Gardens zur Verfügung stellen, in dem 450.000 Pflanzen dokumentiert werden sollen.

Wir Bildbeschaffer werden aber niemals das Interesse an Bildagenturen verlieren. Den Überblick für unsere Kunden zu behalten ist eine Herausforderung, die wir gern angenommen haben. Damit wir jeden Tag unser Gründungsmotto beweisen können: Wir wissen, wo Ihre Bilder sind.


Veröffentlicht am Montag, 05.03.2018 18:03
Kategorien: Bildagenturen Bildbeschaffer Bildermarkt Die ersten 10

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