Mogelpackung Foto-Blockchain
„Kodak kündigt Kryptowährung an" – es war die Meldung, die Anfang Januar von der CES in Las Vegas in die Fotobranche gestreut wurde. Drei Unternehmen meldeten sich gleichzeitig mit dieser Idee und die ersten Euro-Millionen wurden bereits über „Initial Coin Offerings", also einer Spielart des Crowdfundings, bei Fotografen eingesammelt. Was steckt dahinter? Worin könnte der Sinn und Nutzen für Fotografen und Bildnutzer in Unternehmen und Medien liegen?
Fotografen sollen ihren Bildern mit der Blockchain-Technik eine eindeutige DNA vergeben können. Aha – ein universelles Register für Kunstwerke, Verwaltung der Urheberrechte im digitalen Zeitalter? Nun, im gleichen Monat meldeten sich neben Kodak noch zwei weitere Unternehmen mit der gleichen Idee. Das war´s also schon mit der Vorstellung eines universellen Registers.
Wer an dieser Stelle ein großes Fragezeichen beim Lesen des Begriffs Blockchain sieht, dem sei dieses Video der Deutschen Welle ans Herz gelegt.
Und wir lasen weiter: Kodak möchte diese Bilder dann über KodakOne verkaufen. Aha – eine neue Bildagentur? Braucht das die Welt? Und: Kodak übernimmt auch die Nachverfolgung unerlaubter Nutzungen. Ach so. Daher weht der Wind. Also recherchierten wir weiter und fanden heraus, dass Kodak nur als Markenname mit dem altehrwürdigen, aber pleite gegangenen Foto-Unternehmen zu tun hat. Der Name wurde schlicht von einem Berliner Urheberrechtsanwalt lizensiert. Dahinter steckt die Paparazzi-Agentur WENN, die vor Jahren schon mit einem ähnlichen Crowdfunding-Projekt baden ging. Einen Tick schneller – mit der gleichen Idee – war Copytrack und meldet, bereits mehrere Millionen Euro über ein Initial Coin Offering eingenommen zu haben: Copytrack aus Berlin ist seit einigen Jahren als „Spürhund" für unerlaubte Nutzungen im Web aktiv und nennt sein neuestes Produkt Global Copyright Register. Copytracks CEO Marcus Schmitt spricht gegenüber dem Tagesspiegel von Ideenklau. Immerhin kenne er den KodakOne-Macher Jan Denecke aus früherer Zusammenarbeit. Denecke weist den Vorwurf von sich. Und der dritte Anbieter der Technik – IPStock.com mit Sitz in Genf – ist ein Service-Anbieter für Fotografen, der deren Bilder einfach zu allen Microstock-Agenturen wie fotolia und Shutterstock schickt und damit für die Flut an immergleichen Bildern bei allen Microstocks verantwortlich ist.
Eigentlich wollten wir uns damit befassen, ob die Blockchain-Technik sinnvoll ist, ob Fotografen ihre Bilder nachhaltig lizensieren können und Unternehmen, also die Lizenznehmer, von der „smarten" Art, Bilder zu lizensieren, profitieren können. Dass aber bereits die KodakOne-Techniker den Release ihrer Technik gerade um mehrere Wochen verschoben haben, lässt uns weiter zweifeln. Und da die Blockchain-Technik ein irrer Stromfresser ist, sollte sich jeder Fotograf fragen, ob er Bilder, die bei Microstocks für ein paar Euro zu haben sind, mit dem ökologischen Fußabdruck eines Kilos Rinderfilet belegen will.
Dem Bild in der Blockchain werden Schicht für Schicht alle neuen Informationen (Lizenzen etc) hinzugefügt - der Datensatz wird größer wie eine Perle und verbraucht dabei unglaublich viel Strom.
Wir bleiben am Thema. Die Fotografie und das Thema Bildlizenzen liefern genügend Ansätze für technische Innovationen. Ob Blockchain aber die richtige Basis ist, die Frage stellen wir erst einmal zurück. Dafür haben wir andere:
- Wird sich die Blockchain tatsächlich zu einer Alternative zu den herkömmlichen Fotoplattformen oder Metadaten wie IPTC entwickeln?
- Warum wurde die Blockchain-Technik zum Registrieren der Bilder eigentlich mit einer Kryptowährung verknüpft, die ja nach einem ersten Hype ihren Ruf ruiniert haben? Tut es nicht auch PayPal?
- Warum bilden sich überhaupt drei konkurrierende Systeme, um eine sogenannte „Unique ID" anzubieten? Kann eine universelle Registrierungsstelle so eigentlich entstehen? (VG Bildkunst? Patentamt?)
- Sind die Signaturen der verschiedenen Anbieter kompatibel oder werden Fotografen ihre Bilder bei allen möglichen Anbietern registrieren bzw. den Anbieter auch wechseln können?
- Wie sollen die immensen Datengrößen der wachsenden Blockchains gehandhabt werden? Die Hochleistungsrechner, mit denen die Kryptowährungen produziert und transferiert werden, verursachen horrende Stromkosten: So liegt der Verbrauch im Jahr 2017 laut der Plattform Digiconomist auf Höhe des jährlichen Stromverbrauchs ganz Dänemarks und steigt rapide.
- Erst danach können wir darüber nachdenken, was ein zentrales Register für Kunstwerke und Urheberschutz bringt: Für Fotografen, Lizenznehmer und vor Allem für die Google Bildersuche, die mit einem neuen Filter "blockchained images" in der Erweiterten Suche (Filter nach Lizenzart) dann eine Suche nach "sauberen" Bildern ermöglichen könnte.
Recherche: Jana Kühle
Korrektur 2018-02-09: Das Blockchain Produkt von Copytrack heißt Global Copyright Register und nicht Photocain.
Nachtrag 2018-10-01:
Nachdem über die letzten Monate keine Nachrichten über erfolgreiche Projektschritte, erste praktische Beispiele oder Proofs of Concept zu sehen waren, nachdem die ICOs aber soweit abgeschlossen sind (sprich: einige Millionen Euro wurden eingesammelt), geht jetzt die Schlammschlacht los. Den ersten Anbieter erwischt jetzt eine Strafanzeige.
Nachzulesen bei WIRED.Ehrlich gesagt hätten wir uns lieber auf gehaltene Versprechen und neue Techniken gefreut.
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