Das Kreuz mit den Total Buy-Outs
Ein Gespräch mit BFF-Justiziarin Dorothe Lanc
Viel wurde in den vergangenen Jahren über das neue Urheberrecht diskutiert. Auch wir haben uns an der einen oder anderen Stelle mit der Urheberrechts-Novelle beschäftigt. Ein Paragraf kam in den Diskussionen dabei bisher zu kurz: der § 40a. Wir sprachen mit BFF-Justiziarin Dorothe Lanc (www.dorothe-lanc.de) über die Gesetzesnovelle, exklusive Nutzungsrechte und eine gute Vorsorge für das Jahr 2027.
Frau Lanc, Sie sind geschult darin, Gesetzestexte so zu erklären, dass sie allgemein verständlich sind. Was besagt der § 40a im neuen Urheberrechtsgesetz?
Es geht um die Einräumung von ausschließlichen, also exklusiven Nutzungsrechten, die gegen ein Pauschalhonorar eingeräumt werden. Diese können seit der Einführung des § 40a Abs. 1 UrhG zum 01.03.2017 nur noch für die Dauer von zehn Jahren eingeräumt werden. Nur in den gesetzlich genannten wenigen Ausnahmefällen (§ 40a Abs. 3 UrhG) kann der Urheber ein zeitlich unbeschränktes ausschließliches Nutzungsrecht einräumen.
Auf dem Bildermarkt findet ja keine dynamische Vergütung statt, wie es zum Beispiel bei Buchverlagen der Fall ist. Als Buchautor reiche ich ein Manuskript ein und werde an jedem verkauftem Buch beteiligt. Als Urheber partizipiere ich in dem Fall am Verkaufserfolg. Als Fotograf erhalte ich dagegen in der Regel ein Werkhonorar und lizenziere gegen ein weiteres Pauschalhonorar die Nutzungsrechte; Produktions- und Nutzungshonorar werden womöglich sogar in einen Pauschalbetrag zusammengerechnet. Der Gesetzgeber wollte unterbinden, dass der Urheber durch ein solches Vorgehen benachteiligt wird.
Es gibt beim Bildeinkauf also kein zeitlich unbeschränktes Nutzungsrecht mehr und der Urheber soll verstärkt am eigenen Werk partizipieren können, richtig?
Das ist die Idee hinter dem Paragrafen, ja. Die sogenannten „Buy-out“-Verträge sollen nur noch zehn Jahre lang gültig sein – anschließend wandelt sich automatisch das exklusive in ein einfaches Nutzungsrecht. Der Bildeinkäufer bzw. Lizenznehmer bleibt also auch weiterhin berechtigt, das Foto zu nutzen, gleichzeitig kann der Urheber aber wieder darüber verfügen und es Dritten zur Nutzung einräumen, sprich: Er kann es weiter lizenzieren und hat somit eine weitere Einnahmequelle. Frühestens nach fünf Jahren können der Urheber und der Lizenznehmer noch einmal über eine längere und die exklusive Nutzungsdauer verhandeln. In dem Fall bekommt der Fotograf noch mal ein weiteres Lizenzhonorar.
„Die Agenturen betreiben ihr Raubrittertum an den Bildurhebern weiter“
Die sogenannten „total buy out“-Verträge sind damit also hinfällig?
Trotz dieser gesetzlich zwingenden Vorgabe gibt es diese unsäglichen Verträge noch immer. Gerade auch die Agenturen betreiben ihr Raubrittertum an den Bildurhebern weiter: Frei nach dem Motto „Vogel, friss oder stirb“ schreiben sie eine zeitlich uneingeschränkte, exklusive Nutzung weiterhin in ihre Verträge und AGBs und setzen die Fotografen unter Druck. Die wiederum haben häufig Angst, den Job nicht zu bekommen, und akzeptierten diese.
Mit welchen Fragen wenden sich BFF-Fotografen an Sie als Justiziarin?
Leider kennen sich viele Fotografen zu wenig mit Nutzungsrechten aus. Was ist ein exklusives, was ist ein einfaches Nutzungsrecht? Soll ich auf der Streichung eines zeitlich unbeschränkten Nutzungsrechts bestehen? Oder soll ich den Vertrag erst einmal unterschreiben und es auf einen Rechtsstreit ankommen lassen? - Denn nur weil es im Vertrag steht, heißt dies nicht, dass die Einräumung eines zeitlich unbeschränkten exklusiven Nutzungsrechts auch wirksam ist. Im Jahr 2027, also 10 Jahre nach Einführung des § 40a UrhG und mit dem Ablauf der ersten Lizenzierungen, die der gesetzlich zulässigen exklusiven Nutzungshöchstdauer unterliegen, werden wir sicherlich die ersten Rechtsstreitigkeiten und Diskussionen darüber haben. Derartig vom Gesetz abweichende Verträge werden sich dann an diesem messen lassen müssen.
„Jeder Fotograf sollte klar dokumentieren: Habe ich das exklusive Nutzungsrecht eingeräumt oder nur ein einfaches?“
Bis 2027 sind es nur noch sechs Jahre. Wie können sich Lizenznehmer und Lizenzgeber schon jetzt auf das vorbereiten, was nach Ablauf der zehn Jahre passiert? Mit einer akribischen Pflege der Metadaten und der Bilddatenbanken?
Eine gute Dokumentation ist das A und O. Es ist immens wichtig, so klar wie eindeutig zu vereinbaren, wann die Nutzung losgehen soll, um daraufhin die zehnjährige Nutzungsfrist berechnen zu können. Es sollten schriftliche Kostenvoranschläge gemacht werden und man sollte sich die Freigabe schriftlich erteilen lassen. Das gilt ja generell für die Einräumung von Nutzungsrechten. Wie lange der Vertragspartner zur Nutzung berechtigt ist, sollte immer schriftlich festgehalten werden. Jeder Fotograf sollte klar dokumentieren: Habe ich das exklusive Nutzungsrecht eingeräumt oder nur ein einfaches? Der Paragraf gilt ja nur für die exklusive Nutzungsrechteeinräumung – die einfache läuft weiterhin zeitlich unbegrenzt. Das sollte also klar definiert werden. Da sind wir wieder bei den Fotografen angekommen, denen man mitunter noch erklären muss, was überhaupt einfache und exklusive Nutzungsrechte sind. Manche wissen gar nicht so genau, was sie einräumen wollten bzw. vereinbart haben.
An der Fachhochschule Dortmund unterrichten Sie im Fachbereich Design zum Thema Urheberrecht. Inwieweit ist das neue Urheberrecht dort Thema?
Ich vermittele dort die Grundlagen, erkläre meinen Studierenden, wie das Urheberrecht entsteht, welche Rechte sich daraus ableiten, wie man Lizenzen erteilt. Die anstehende Reform des Urheberrechts, d.h. die Umsetzung der aktuellen europäischen DSM-Richtline in deutsches Recht, die die Regelung der Verlegerbeteiligung, der Plattformlizenzierung, des Presseverlegerleistungsschutzrechts u.v.m. betrifft, ist ja schon eine so tiefe Materie, dass sie auch fürJuristen anspruchsvoll ist. Es ist sehr gut, dass die FH Dortmund ihre Studierenden als eine der wenigen Hochschulen in diesem Bereich auf den Beruf praktisch vorbereitet. Aber da geht es eher um Fragen wie: Was sind Nutzungsrechte? Wie werden sie beispielsweise durch die Panoramafreiheit eingeschränkt? Was ist unwesentliches Beiwerk? Wie kann man ein angemessenes Lizenzhonorar kalkulieren? Das sind Fragen, die auch innerhalb des BFF immer wieder auftauchen. Es ist immens wichtig für alle Fotografen, sich mit den Themen Nutzungs- und Urheberrecht zu beschäftigen. Vor Corona habe ich dazu innerhalb des BFF Vorträge gehalten. Auch im BFF-Praxishandbuch ist dazu einiges erklärt.
Wie sieht es bei angestellten Fotografinnen und Fotografen aus? Greift der § 40a hier ebenso?
Die Situation bei angestellten Urhebern ist ja insofern eine andere, als dass das Urhebervertragsrecht nicht wie bei Freiberuflern uneingeschränkt Anwendung findet. Angestellte Urheber sind durch ihr Anstellungsverhältnis sozial abgesichert und nicht so sehr darauf angewiesen, dass durch die Lizenzierung ihrer Werke noch einmal weitere Einnahmen generiert werden. Außerdem müssen sie kraft ihres Anstellungsverhältnisses umfassende Nutzungsrechte an den von ihnen erschaffenen Werken an ihren Arbeitgeber einräumen. Was den § 40a angeht, müssen wir erst einmal abwarten, was die Rechtsprechung sagt. Vom Gesetz darf grundsätzlich nicht abgewichen werden – es sei denn, ein Tarifvertrag oder eine Vergütungsregel sieht es vor. Die Problematik ergibt sich ja häufig erst hinterher in der Praxis. Ich wage da noch keine Prognose.
Was muss Ihrer Meinung nach passieren, damit der § 40a künftig nicht so stiefmütterlich behandelt wird?
Die Medien haben bei der Einführung der Urheberrechtsnovelle tatsächlich viel zu wenig darüber berichtet. Mir liegt der Paragraf sehr am Herzen und ich wünsche mir, dass er vermehrt thematisiert wird. Teilweise liegt es an der Unkenntnis, teilweise aber auch an der Ignoranz der Agenturen oder der Rechtsabteilungen der Unternehmen, in denen die Regelung des § 40a UrhG entweder noch immer nicht angekommen ist oder man dennoch versucht, von ihr zu eigenen Gunsten abzuweichen. Man sollte insgesamt viel mehr kommunizieren. Die Kunden wissen oftmals ja gar nicht, welcher Aufwand hinter einer Fotoproduktion steckt, inklusive der Vorbereitungsarbeit. Das muss erklärt und vermittelt werden. Insgesamt wünsche ich mir von Kundenseite mehr Verständnis und Wertschätzung was den Aufwand für das Erschaffen einer Fotografie angeht.
Es kommt derzeit mehr und mehr zu sogenannten Negativauktionen. Sprich: Fotografen können sehen, was Fotografen geboten haben, die beim selben Auftrag mitbieten. Daraufhin können sie ihr eigenes Angebot noch einmal revidieren.
Die Fotografen werden tatsächlich gegeneinander ausgespielt, wenn die fotografische Leistung zur Versteigerung wird, die den Preis nach unten drückt. Ich glaube auch nicht, dass das noch lange gut gehen wird. Irgendwann wird der Schuss nach hinten losgehen und die Fotografen werden sich dagegen wehren.
Vielen Dank für das Gespräch.
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