Kreative Köpfe zu Coronazeiten
Fotoshootings: abgesagt. Hochzeiten: verschoben. Studios: geschlossen. Auch die Fotobranche hat stark zu kämpfen mit dem Shutdown. Irgendwann ist auch die längste To-Do-Liste abgearbeitet: Das Fotoarchiv wurde endlich mal ausgemistet und verschlagwortet, der nächste Bildband liegt fertig für die Vermarktungszeit n.C. (also nach Corona) in der Schublade, die Steuer ist erklärt und man hat sich gefühlt durch sämtliche Foto- und Bildbearbeitungstutorials geklickt. Doch Not macht bekanntermaßen erfinderisch. So beobachten wir mit Freude und ‚Hut-ab‘-Gefühlen die Kreativität von Freischaffenden, die sich eigeninitiativ und mit Leidenschaft neuen Projekten zuwenden. Was tun, wenn keine Shootings anstehen? Wir haben uns für Sie einmal umgeschaut.
Faces of Photography & Knipsen statt Knapsen
Da sind zunächst unsere Kollegen von Fotogloria, die mit ihrer Idee #FacesOfPhotography verschiedene Fotografen und Fotografinnen zu Wort (und Bild) kommen lassen. Die Serie fasst mittlerweile mehr als vier Dutzend Kurzporträts von kreativen Köpfen, die aus aller Welt über ihren Umgang mit der Krise berichten und ihre aktuellen Projekte vorstellen. Manche nehmen’s mit Humor, manche greifen die Ideen ihrer Kinder auf und integrieren diese gleich in die heimischen Motivwelten, wieder andere schlagen neue Wege ein und realisieren Träume, die schon eine Weile im Hinterkopf schlummerten – so wie die Fotografin Eva Häberle, die in der auftragsfreien Zeit mit einer Mischung aus Fotografie und Illustration ein Kinderbuch gestaltet.
Ein ganz besonderes Charity-Projekt hat sich der Hamburger Fotograf Florian Bison ausgedacht. Normalerweise arbeitet er für namhafte Kunden wie Adidas, Porsche oder die ZEIT. Mitte März aber brachen auch für ihn die Aufträge weg. Ebenfalls betroffen von der Krise, wollte er die Kamera nicht einfach wochenlang aus der Hand legen und stattdessen Menschen helfen, die noch stärker betroffen sind als er selbst. „Mein Projekt Knipsen statt Knapsen ist aus der Idee heraus entstanden, dass ich mit meinem Job in Krisenzeiten im Grunde keine große Hilfe bin. Deshalb möchte ich für diejenigen kostenlos fotografieren, die die Krise besonders hart getroffen hat.“ Gemeinsam mit Partnern aus der Fotobranche stellt er seine Dienstleistung im Wert von 15.000 Euro für karitative Institutionen, gemeinnützige Einrichtungen, Vereine oder kleine Unternehmen zur Verfügung, die professionelle Fotos benötigen. „Das, was viele jetzt brauchen, ist eine Perspektive“, ist Florian überzeugt, „wenn ich einen kleinen Teil dazu beitragen kann, diese Perspektive zu schaffen, dann gibt das auch mir Rückenwind.“ Am Ball bleiben, weitermachen, helfen.
Stay at home & Made in Germany
Während man sich in den letzten Wochen in einigen Städten und Bundesländern fragte, ob Tischtennisspielen zu zweit erlaubt ist oder nicht, hat sich das Berliner Fotografenduo Yana Wernicke und Jonas Feige ein Foto-Ping-Pong der ganz besonderen Art einfallen lassen, für das man die eigenen vier Wände nicht verlassen muss. Auf der Seite Stayathome gibt es fotografische Zwiegespräche, die ganz ohne Text auskommen und so inspirierend wie poetisch sind. „Zwischenzeitlich habe ich mit der Fotopartnerin, die mir vom Projekt zu gewiesen worden ist, jeden Tag Bilder hin und her geschickt“, erzählt die Fotografin Julia Steinigeweg. „Ich kenne Julia Maninowska nicht, sie nimmt von Barcelona aus an dem Projekt teil.“ Ob neue Bilder oder Archivmaterial spielt dabei keine Rolle beim assoziativen Antworten. „Es geht darum, zu experimentieren und sich dabei gegenseitig zu inspirieren.“ Von Albanien über den Libanon bis hin zu Kanada: Yana Wernicke und Jonas Feige haben es mit ihrem Blog ermöglicht, dass Fotografen aus der ganzen Welt aus der Isolation heraus miteinander in den Dialog treten.
Deutsche Locations
Während das Reisen von Land zu Land im digitalen Raum in den vergangenen Wochen durch Projekte wie Stay at home intensiviert wurde, sind Fotoshootings weltweit zum Erliegen gekommen. Was macht das mit Fotografen, die bisher davon lebten, in ferne Länder zu reisen, um ihre Arbeit auszuführen? Einer von ihnen ist der Regisseur und Werbefotograf Simon Puschmann. Für große Autohersteller reist er für gewöhnlich um die ganze Welt, um faszinierende Locations einzufangen. „Bisher habe ich höchstens zehn Prozent meiner Aufträge in Deutschland fotografiert“, erzählt Simon. „In Zeiten wie diesen aber sollten wir uns darauf besinnen, dass wir in einem Land mit fantastischen Foto-Locations leben.“ Sein Appell: Wenn es keine Option ist, in ein anderes Land zu fliegen, dann schaut doch vor die Haustür. „Gerade haben mein Producer und ich eine große Sammlung mit großartigen Fotospots zusammengetragen, die ich mithilfe von Stop-Motion in einem kleinen Film präsentieren möchte.“
Ob Werbe-, Porträt- oder Reportagefotografen: Die Kreativen bleiben auch in diesen Zeiten kreativ, schlagen neue Wege ein, widmen ihre Zeit ungewöhnlichen Projekten und zeigen vor allem: Es geht weiter. Auch die Corona-Zeit hat irgendwann ein Ende. Und dann werden wir umso dankbarer sein für all die kreativen Köpfe da draußen, die auf neue Aufträge warten und die Zeit bis dahin nicht ungenutzt haben verstreichen lassen.
Headerbild Foto: Matti Immonen
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