Symbolbilder royal
Wörter aus Buchstabennudeln oder auf Stempeln; Figuren, die auf Geldscheinen stehen; Paragrafen, die an Wäscheleinen hängen: Es gibt so viele unsägliche Stock-Fotos, dass absehbar war: Irgendwann wird irgendjemand diese Art von Fotos öffentlichkeitswirksam durch den Kakao ziehen. Insider machen sich ja schon lange über die gruseligen Stock-Bilder lustig. Nun war es also soweit: Jan Böhmermann knöpfte sich in seiner Sendung ZDF Magazin Royal das Symbolbild vor. Im Rahmen eines satirischen Beitrags über Hartz IV hat er die grottigsten Beispiele für Symbolbilder herausgesucht, die sich der Thematik annehmen – und dabei gleich das Wasserzeichen auf den eingeblendeten Bildern stehen gelassen, das verrät, von welcher Bildagentur die teilweise absurden, teilweise einfach nur langweiligen Bilder kommen.
So also schaffte es das Symbolbild ins öffentlich-rechtliche Fernsehen.
In seiner Sendung vom 23. April ging Jan Böhmermann eigentlich mit Hartz 4 ins Gericht, zugleich aber auch mit dem guten, alt… pardon: mit dem schlechten, alten Symbolbild.
Symbolbild oder nicht, das ist hier die Frage
Zu einem Artikel, zu einem Produkt oder einer Story gehören sowohl Informationen als auch Emotionen. Egal ob in einem Verlag oder in einem Unternehmen: Eine Werbung bzw. ein Artikel muss attraktiv und relevant sein, um gesehen oder gelesen zu werden. Eine Nachricht besteht bestenfalls aus Text und Bild (Film, Ton, Animation, Grafik ...). Ein Nachrichtenbild kann dabei nur das Konkrete zeigen (die Explosion, der Staatsmenschen-Handshake, das neue Produkt). Was, wenn das Thema aber abstrakt ist? Die Nachricht über das neue Vaterschaftsrecht bietet als konkrete visuelle Information höchstens die Richter bei der Verkündung oder den Gesetzestext, ausgedruckt in der Hand eines Offiziellen. Mmh. Dann doch lieber ein Stock-Bild mit einer glücklichen Familie?
Nicht jedes Thema - egal ob in der Presse oder der Werbung - lässt sich also mit konkreten Bildern begleiten.
Welche Aufgabe hat ein Symbolfoto? Attraktion, Emotion, Ästhetik
Scrollen Sie mal über ein Nachrichtenportal oder Ihre eigene Website und blenden Sie alle Bilder aus! Wie lange braucht es, um die Headline eines Themas zu erfassen, zu erkennen, ob das Thema für Sie interessant ist und dann entweder weiterzuscrollen oder ins Thema einzusteigen? Stoppen Sie die Zeit, bis Sie überfordert oder gelangweilt sind. Bilder sind hier Wegweiser. Die Kategorie, das Thema und auch die Relevanz werden übers Bild einfach schneller wahrgenommen und verstanden. Keine Frage: Bilder sind für Kommunikation eine große Hilfe.
Es sind die immergleichen Stock-Fotos, über die sich Jan Böhmermann aufgeregt hat, weil seine Redaktion (absichtlich) in dieselbe Falle gestolpert ist wie viele andere: Rechts oder links im Hintergrund seines Schreibtisches befindet sich - wie in der Tagesschau - eine Fläche, die bebildert werden will. In der Tagesschau ist hier das Nachrichtenbild zu sehen: das Bild vom Mars-Roboter oder - wie bei den neuen Zahlen zum Außenhandel - ein Foto von den Verladekränen im Hamburger Hafen. Der Klassiker des Symbolbildes. Die Aufgabe: Während die Information ins Hirn fließt, soll das Auge einen relevanten Ruhepol haben.
Dr. Felix Koltermann, Kommunikationsforscher an der Uni Hannover, plädiert für einen sehr restriktiven Umgang mit Symbolbildern - sehen Sie die Szene hier in unserem Tea Time Talk no.2. Ein spannender Ansatz. Hören Sie einfach mal rein.
Die Grenze zwischen Pressefoto und Symbolbild ist fließend, es gibt viele Grautöne. Stellen Sie sich einen Reisekatalog ohne Ansicht des Ziels vor. Ehrlicherweise muss man auch sagen: Es gibt neben den krassen Ausreißern, die in der Sendung gezeigt werden, auch viele schöne, nachdenkliche Bilder, die uns um die Ecke denken lassen. Wer suchet, der findet.
Symbolbilder müssen auch als grafische Elemente herhalten. Ansonsten wären viele Seiten schlicht Schwarz auf Weiß. Viele Augen von heute treten dann nach nur kurzer Zeit die Flucht an. Unsere Sehgewohnheit haben sich – zugunsten von Bildern – geändert.
Zwischen-Überschrift - hier könnte auch ein Bild stehen
Dass die royale Redaktion bei den Hartz 4 Symbolbildern körperliche Schmerzen empfand, ist absolut nachvollziehbar. Zugleich: Der Bildermarkt ist so oben und unten, so schlimm und schön, so banal und so wow, dass da vielleicht ein bisschen Differenzierung gut tut.
Zu oft gesehene Motive: Darf’s ein bisschen mehr sein?
Schließlich ist es nicht nur eine Frage des Angebots, sondern auch der Nachfrage. Es gibt Redaktionen, die grundsätzlich jeden Artikel mit einem Bild von unsplash oder pexels betiteln müssen. Mit Mädels am Handy, Schreibtischen mit Laptop und Kamera oder Hipstern, die auf Post-Its an der Glaswand schreiben. Kostet ja nichts und ist so einfach!
(Wirklich? Wir geben dazu ein Webinar!)
Es wird sie wohl immer geben: Die Powerpointler, die Gummimännchen auf vier Puzzleteilen und Thumb-Up unbedingt brauchen, um Teamwork zu visualisieren. Das Internet hat ja alles - man muss nur nach dem einen Wort wie Teamwork suchen.
Hier hilft es allein schon, einmal um die Ecke zu denken und eben nicht das aktuelle Thema als Suchwort ("Teamwork", "Kaffeepause", "Hartz 4") einzutippen. Wer nach Müll sucht, wird Müll finden. Egal, ob die Bildquelle eine seriöse Nachrichtenagentur ist oder eine, die günstige Bilder in Massen bietet. Hans-Jörg Walter aus der Schweizer Medien-Agentur Ex-Press empfahl seinen Kunden: Ein Fünfziger für jedes platte Bild ins Sparschwein - und damit dann einmal ein kreatives Konzept finanzieren. Vielleicht ein erster Ansatz.
Gemeinsam schöne Bilder finden
Es ist wie beim Essen: Die Pizza aus dem Eisfach macht satt, ist billig aber ungesund. Dann gibt es Modisches wie Poke Bowls, Gesundes wie vegane Sommerrollen, die bodenständige Carbonara aus der Fattoria und die dekonstruierte Geschmacksexplosion aus der Molekularküche. Jeder nach seinem Gusto und alles zu seiner Zeit.
Wir sehen es als unseren Job an, Sie nicht in die Böhmi-Falle tappen zu lassen.
Mit unseren täglichen Recherchen.
Mit Schulungen, individuell für Sie oder zum Beispiel mit dem Webinar Bildermarkt und Lizenzen.
Mit unseren Checklisten und dem Überblick zum Bildermarkt im PR Report - denn es gibt nicht nur drei Bildagenturen und unsplash!
Mit unserer Diskussion Der Wert des Bildes.
Wenn Sie möchten, einmal pro Monat als Magazin per Email.
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