Auf den Spuren eines Eisbären
Mario Hoppmann staunte nicht schlecht, als wir uns Anfang des Jahres mit einer Frage zu einem Bild bei ihm meldeten, das im Rahmen einer Forschungsreise im Jahr 2015 an den Nordpol entstanden ist. Mario, der als Klimawissenschaftler für das renommierte Alfred-Wegener-Institut arbeitet, hatte während einer Expedition an den Nordpol einen Eisbären fotografiert und seinem Arbeitgeber im Anschluss eine kleine Bildserie zur Verfügung gestellt. Mit seinem Einverständnis landeten die Bilder daraufhin zum freien Download auf der Institutsseite – mit dem klaren Vermerk: „Alfred-Wegener-Institut / Mario Hoppmann (CC-BY 4.0)". Vereinfacht ausgedrückt bedeutet das nichts anderes als: Jeder darf das Bild nutzen, muss aber Mario Hoppmann als Fotografen nennen. Seitdem hat der Eisbär im Internet unglaubliche Wege zurückgelegt.
Foto: Alfred-Wegener-Institut / Mario Hoppmann (CC-BY 4.0)
Während der alltäglichen Bildrecherche stieß unser Team mehrfach auf das Eisbärenbild, unter anderem bei der Microstock-Agentur Rawpixel. Der Vermerk auf den Urheber fehlte. Stattdessen wurde als Quelle die NASA genannt. Die NASA? Eine Recherche auf deren Seite führte zu einem Artikel über das schwindende Polareis, bebildert mit dem besagten Eisbärenfoto. Die Aufnahme wird hier von der NASA lediglich zur Bebilderung eines Artikels genutzt und das auf korrekte Weise mit Urhebernennung.
Doch nicht nur Rawpixel bietet das Bild mit Rückbezug auf die NASA an. Auch bei der Stock-Agentur Alamy wurden wir fündig. Alamy bot das Bild mit Hinweis auf die NASA Collection zum Kauf an (Mittlerweile hat Alamy das Bild auf Nachfrage des Fotografen von der Seite genommen). Und tatsächlich: Auf der Seite der offiziellen Bildagentur der NASA wird das Eisbärenbild zum Download bereitgestellt. Der Hinweis mit der Fotocredit „Mario Hoppmann" findet sich versteckt und klein am Ende einer langen Bildbeschreibung, genannt werden muss er aber. Laut Alamy wurde das Bild ihnen aber nicht nur von der NASA Image Collection angeliefert, sondern auch über NG Images.
Auch der Fotograf begibt sich parallel auf Spurensuche, erfährt von einem Alamy-Zulieferer, dass dieser das Bild über wikimedia commons gefunden habe, wo es uneingeschränkt zur Verfügung stand. Wikimedia wiederum will das Bild aus flickr importiert haben, hat es auf Anfrage des Fotografen mittlerweile aber ebenfalls von der Seite genommen. „Das Eisbärenbild fällt mir immer mal wieder hier und da auf, aber nur selten steht mein korrekter Name dabei", erzählt Mario Hoppmann. Was die kostenfreie Bildnutzung angeht, zeigt sich der Fotograf versöhnlich – immerhin habe er es über die Datenbank des Alfred-Wegener-Instituts zur kostenfreien Nutzung zur Verfügung gestellt. Dass sein Name nicht genannt wird und er sein eigenes Bild plötzlich über mehrere Agenturen kaufen kann, von denen er nie zuvor gehört hat, empfindet der Fotograf jedoch als absurd. Weitere Recherchen ergaben: In einer Bildergalerie des SPIEGEL Online-Ablegers bento wird das Bild sogar der Deutschen Presse-Agentur zugeordnet. „Seit heute arbeite ich außerdem für die NASA", schmunzelt der Fotograf und verweist auf die Seite des World Economic Forums, wo das der besagte Eisbär unter der Angabe „Mario Hoppmann/NASA" gezeigt wird.
Die kleine digitale Odyssee des Eisbärenbildes zeigt zweierlei: Die Wege von Bildern in Zeiten des Internet sind bisweilen unerfindlich, und manchmal unergründlich. Und: Kostenlos bedeutet nicht immer bedingungslos. Nehmen wir nur die NASA-Bilder. Im Medienarchiv der berühmten Raumfahrtbehörde finden sich zwar mehr als 100.000 Bilder, die kostenlos genutzt werden dürfen, im Fall unseres Eisbären aber sieht es schon ganz anders aus. Und im Dschungel von Begrifflichkeiten wie gemeinfrei, Creative Commons, kostenlos oder lizenzfrei sieht sich selbst der geschulte Bildsuchende immer wieder mit der Frage konfrontiert: Darf ich das Bild tatsächlich kostenfrei verwenden?
Deshalb widmen wir unsere "Agentur des Monats" diesmal den kostenlosen Bilddatenbanken und verraten jedem, der es noch nicht weiß, dass wir alle Fragen rund um derartige Bilder gern für Sie klären.
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