Der neue Datenschutz
Sophie Engelhardt - Foto: wattendorff.de
Das Thema Datenschutz steht derzeit auf der Agenda vieler Unternehmen. Bis zum 25. Mai müssen Unternehmen in Europa ihre Prozesse an die neue Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) angepasst haben. Was aber hat die neue Verordnung mit Bildern zu tun? Wann und wie weit greift die DSGVO in den Bereichen Fotografie und Bildnutzung? Wir sprechen mit Sophie Engelhardt, Fachanwältin für Urheber- und Medienrecht in der Kanzlei Rasch Rechtsanwälte, über mögliche Konsequenzen der neuen Datenschutzgrundverordnung für die Kommunikationsbranche.
Die Bildbeschaffer: Auf unseren Seminaren werden wir derzeit häufig auf die neue DSGVO angesprochen – meistens von besorgten Teilnehmern, die sehr gewissenhaft arbeiten und sich nun fragen, was es mit der neuen Datenschutzgrundverordnung auf sich hat. Auch in den Medien finden wir gerade vermehrt Artikel, die die Pferde scheu machen.
Sophie Engelhardt: Dass Fotos von Personen vom Datenschutzrecht umfasst sind, ist in Deutschland im Prinzip nichts neues. Ein Foto, das eine Person abbildet, enthält personenbezogene Daten und unterliegt schon jetzt dem Anwendungsbereich des Bundesdatenschutzgesetzes (BDSG). Bisher hatte sich allerdings in der Rechtsprechung etabliert, dass z.B. für die Frage der Einwilligung einer Person in die Nutzung seines Bildes vorrangig die Bestimmungen des Kunsturhebergesetzes (KUG) gelten sollten. Anders als im BDSG gibt es im KUG keine Formvorschriften, eine Einwilligung konnte demnach auch mündlich erteilt werden oder sogar durch schlüssiges Verhalten. Der Widerruf einer einmal erteilten Einwilligung ist dagegen nach dem KUG schwieriger möglich als nach den Regelungen des BDSG, was natürlich ein Vorteil für Unternehmen darstellt, die Personenfotos professionell nutzen. Durch das Inkrafttreten der DSGVO ist für die Zukunft das Verhältnis zwischen datenschutzrechtlichen Bestimmungen und dem KUG noch unklar; möglicherweise werden sich in Bezug auf die Einwilligung die Voraussetzungen verschärfen.
Die Bildbeschaffer: Wie lange wird es dauern, bis sich das Verhältnis herauskristallisiert haben wird?
Sophie Engelhardt: Hier muss auf eine Klärung durch die Rechtsprechung gewartet werden. Eine einzelne Entscheidung macht ja noch keine gefestigte Rechtsprechung aus, das kann also schon ein paar Jahre dauern.
Die Bildbeschaffer: Müssen wir mit einer vermehrten Klagewelle rechnen? Denken wir an einen Mitarbeiter, der sich nach der Kündigung noch mal bei seinem Unternehmen rächen möchte …
Sophie Engelhardt: Auf Mitarbeiterfotos sollte man ohnehin ein besonderes Augenmerk richten. Schon vor Inkrafttreten der DSGVO ist es derzeit gemäß der Rechtsprechung der Arbeitsgerichte so, dass hier die Einwilligung in die Veröffentlichung von Fotos schriftlich erteilt werden muss. Das ist sinnvoll gerade auch für den Fall, dass Mitarbeiter später aus dem Unternehmen ausscheiden und dann nicht mehr damit einverstanden sind, mit dem Unternehmen in irgendeiner Form in Verbindung gebracht zu werden. Mithilfe der Einverständniserklärung kann man dann belegen, dass der Mitarbeiter zu einem früheren Zeitpunkt eingewilligt hat und mit der Nutzung des Bildes einverstanden war.
Die Bildbeschaffer: Fallen auch Bilder, die schon in Archiven verfügbar sind, unter die neue DSGVO?
Sophie Engelhardt: Der sogenannte Düsseldorfer Kreis (Zusammenschluss der deutschen Aufsichtsbehörden für den Datenschutz im nichtöffentlichen Bereich) hat einen Beschluss herausgegeben, dem zufolge bereits erteilte rechtswirksame Einwilligungserklärungen weiterhin gültig bleiben sollen, sofern diese der Art nach den Bedingungen der DSGVO entsprechen. Datenschutzexperten allerdings sind sich uneinig, ob diese Ansicht juristisch Bestand haben kann. Eine verlässliche Auskunft lässt sich insofern derzeit nicht erteilen.
Die Bildbeschaffer: Wie sieht es künftig im Bereich der Fotonutzung mit Bußgeldern oder Schadensersatzleistungen aus?
Sophie Engelhardt: An dem Anspruch auf Schadensersatz aufgrund einer Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts ändert sich ja nichts. Die DSGVO sieht in Art. 83 für bestimmte datenschutzrechtliche Verstöße empfindliche Geldbußen vor, die auch den Umgang mit Personenfotos betreffen können, z.B. Geldbußen bei Verstoß gegen die Bedingungen einer Einwilligung oder Geldbußen bei Verstoß gegen die Informationspflicht bei Erhebung personenbezogener Daten. Auch die Geldbußen bei Verstoß gegen Auskunftsrechte der betroffenen Person sowie gegen das Recht auf Löschung können im Bildbereich eine Rolle spielen. Die Betroffenenrechte sind ja ausgeweitet worden, das heißt ich kann in Zukunft ein Unternehmen fragen: Welche Daten wurden von mir gespeichert, welche Fotos gibt es und woher habt ihr sie? Wenn man dann keine Auskunft erteilt, könnte das künftig mit dem Bußgeldkatalog der DSGVO geahndet werden.
Die Bildbeschaffer: Die Bußgeldvorschriften bewirken aber keine finanziellen Vorteile für die Betroffenen, richtig?
Sophie Engelhardt: Das stimmt. Es gibt aber in der DSGVO auch eine Vorschrift für einen Anspruch auf Schadensersatz für die Betroffenen. Art. 82 bestimmt unter anderem, dass „jede Person, der wegen eines Verstoßes gegen diese Verordnung ein materieller oder immaterieller Schaden entstanden ist, Anspruch hat auf Schadensersatz gegen den Verantwortlichen". Für die Betroffenen kann es dann Geld geben, wenn ein Unternehmen die Daten einer Person auf unzulässige Weise verarbeitet. Anders als in dem Bußgeldkatalog des Art. 83 wird es aber im Ermessen der Gerichte stehen, die Schadensersatzbeträge zu bemessen. Außerdem gibt es auch schon im jetzigen § 7 BDSG eine ganz ähnliche Vorschrift. Ich persönlich glaube daher nicht, dass es zu einer Abmahnwelle kommen wird.
Die Bildbeschaffer: Und künftig werde ich eine Einwilligung in Sachen Nutzungsrechte meiner Bilder jederzeit widerrufen können?
Sophie Engelhardt: Das konnte ich gemäß BDSG bisher auch. Ganz konkret wird sich die Frage stellen, wie sich KUG und Datenschutzgrundverordnung zueinander verhalten werden. In der DSGVO ist geregelt, dass man in Zukunft eine einmal erteilte Einwilligung jederzeit widerrufen kann. Da entsteht natürlich eine Rechtsunsicherheit. Nach den Bestimmungen des KUG, die wie gesagt nach bisheriger Rechtslage im Bereich der Einwilligungen Vorrang hatten, war für einen Widerruf erforderlich, dass sich die Umstände gravierend geändert haben, sodass es für den Fotografierten unzumutbar geworden ist, dass sein Foto veröffentlicht wird.
Die Bildbeschaffer: Wenn man als Unternehmen in der nun kommenden Übergangsphase einen Tag der offenen Tür veranstalten möchte: Kann ich die Presseveranstaltung veranstalten wie bisher, sprich: Ich teile mit, dass fotografiert wird und die Pressefotografen anwesend sind, habe aber keine schriftliche Vereinbarung. Wird das Risiko künftig zu hoch sein, sodass ich es anders aufziehen muss?
Sophie Engelhardt: Ich glaube nicht. Wer zu 100 % auf der sicheren Seite sein will, kann natürlich im Eingangsbereich Einwilligungserklärungen austeilen und unterschreiben lassen, aber das ist ja lebensfremd. Das wird nicht so sein.
Die Bildbeschaffer: Man macht also nichts verkehrt, wenn man künftig so weitermacht. Hauptsache man arbeitet weiterhin gewissenhaft und respektiert die Menschen, die auf den Bildern zu sehen sind.
Sophie Engelhardt: Wie die Bestimmungen der DSGVO tatsächlich angewendet werden, wird sich zeigen. Man darf aber nicht vergessen, dass sich das Datenschutzrecht in Deutschland mit dem BDSG auch in der Vergangenheit schon auf hohem Niveau befand. Das Thema DSGVO sorgt vermutlich vor allem wegen der erheblich steigenden Bußgelder für viel Aufruhr. Zudem gibt es für datenverarbeitende Unternehmen eine Menge zu organisieren, um den in der DSGVO geregelten Rechenschaftspflichten, den Regelungen zur IT-Sicherheit, den Regelungen zur Auftragsdatenverarbeitung usw. nachzukommen.
Die Bildbeschaffer: Das heißt, wenn ich an unsere Kunden denke: Da sind die Menschen aus der IT ja häufig die Panikmacher, die nur schwarz und weiß denken und eher die Gefahren und Hindernisse sehen. Die Lösung steht da eher im Hintergrund. Es kommen also die ITler auf die Kommunikationsabteilung zu und sagen: Jungs, ihr habt ein Problem. Was sollte die Kommunikationsabteilung jetzt antworten?
Sophie Engelhardt: Das kann ich so pauschal nicht beantworten. Wenn ich die Kommunikationsabteilung beraten würde, würde ich alle datenschutzrechtlich relevanten Vorgänge einer Prüfung unterziehen und im Einzelnen entscheiden, ob Handlungsbedarf besteht.
Die Bildbeschaffer: Könnte man denn, ohne den Einzelfall zu kennen, mit Bezug auf Fotonutzung generelle Empfehlungen aussprechen?
Sophie Engelhardt: Ansetzen könnte man wohl damit, Model Releases und Fotografenverträge zu überarbeiten. In Art. 6 DSGVO sind ja die Bedingungen der rechtmäßigen Datenverarbeitung aufgeführt. Im Bereich der Bildnutzung werden vor allem zwei Rechtmäßigkeitsalternativen eine Rolle spielen, zum einen die Einwilligung der betroffenen Person, zum anderen die Verarbeitung zur Erfüllung eines Vertrages, dessen Vertragspartei die betroffene Person ist. Fotografenverträge sollten alle Vorgänge, die als Datenverarbeitung klassifiziert werden, abbilden, also die Bearbeitung, die Archivierung, die Übertragung einer digitalen Bilddatei auf ein anderes Speichermedium usw. Model Releases sollten zumindest die Formerfordernisse des Art. 7 DSGVO beachten. Hierzu zählt auch ein Hinweis auf die Widerruflichkeit der Einwilligung.
Die Bildbeschaffer: Ist die Widerruflichkeit der Einwilligung nicht ein Problem? Ich denke da an ein Unternehmen, das für viel Geld einen Werbefilm produziert – kann es sich das Model dann einfach anders überlegen?
Sophie Engelhardt: In der Praxis würde man sicherlich versuchen, das Widerrufsrecht vertraglich auszuschließen. Inwieweit dies zulässig sein wird, wird sich zeigen, Grenzen werden sich durch Rechtsprechung herausbilden. Es ist aber davon auszugehen, dass gerade in Bereichen mit hohem wirtschaftlichem Risiko praktikable Lösungen gefunden werden.
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