Fotografie hat Urheber

 
Freitag, 07.01.2022

Fünf Fotografen, ein gemeinsames Ziel: Unter der Überschrift „Fotografie hat Urheber. Urheber haben Rechte.“ haben die Fotografen Heiner Müller-Elsner, Sascha Rheker, Florian Sonntag, Marco Urban und Jan-Frederik Wäller ein Arbeitspapier mit dem sperrigen Titel „Inhalt und Folgen des Gesetzes über die urheberrechtliche Verantwortlichkeit von Diensteanbietern für das Teilen von Online-Inhalten (Urheberrechts-Diensteanbieter-Gesetz – UrhDaG) in Bezug auf die Werkform Fotografie“ veröffentlicht. Klingt kompliziert und ist noch dazu viele Seiten lang. Damit Sie sich nicht durch die vielen Paragrafen kämpfen müssen, haben wir für Sie die Kritikpunkte und Kernthesen zusammengefasst, umreißen die Lösungsmöglichkeiten, die das Quintett vorschlägt und arbeiten heraus, was das für Sie und Ihre Arbeit künftig bedeuten könnte.

Marco Urban: Das UrhDaG im Falle der Werkform Fotografie aus Sicht der Urheber (Copyright: www.marco-urban.de)
Gesetz über die urheberrechtliche Verantwortlichkeit von Diensteanbietern für das Teilen von Online-Inhalten (Urheber-Dienstanbieter-Gesetz - UrhDaG) im Falle der Werkform Fotografie aus Sicht der Urheber - Copyright: Marco Urban - www.marco-urban.de, Stand 30.11.2021

Ziel des UrhDaG ist es ja, die Rechte von Urhebern zu stärken und die Nutzung ihrer Werke auf Social-Media-Plattformen gebührend zu honorieren. Dazu müssen Diensteanbieter wie YouTube, Facebook und Co. neuerdings Lizenzen mit den Verwertungsgesellschaften abschließen, über die urheberrechtlich geschützte Werke dann im Sinne einer pauschalen Vergütung honoriert werden. Voraussetzung ist, dass der Uploader (Nutzer) nicht kommerziell handele bzw. „keine erheblichen Einnahmen“ erziele (UrhDaG §6). Hier setzt der erste Kritikpunkt des Arbeitspapiers an, das mittlerweile eine lange, teils namhafte Liste an Mitzeichner/innen aufweist: Sowohl die Begriffe „nicht kommerziell“ als auch „keine erheblichen Einnahmen“ seien nicht näher erläutert. Die Abgrenzung von kommerzieller und nicht-kommerzieller Nutzung bleibe unklar. Aber der Reihe nach.

Kritikpunkte von „Fotografie hat Urheber“ zum neuen UrhDaG

  • Unzureichende Rechtssicherheit für einen großen Teil der Bilder: Das UrhDaG regele lediglich die Rechte der Urheber, nicht jedoch die Rechte Dritter (z. B. Persönlichkeitsrechte abgebildeter Personen oder Rechte von Urhebern abgebildeter Dinge)
  • Kontrollverlust: Wie wird sichergestellt, dass Bilder nicht in einem unerwünschten Kontext genutzt werden? (einige Bilder sollten besser von einer pauschalen Nutzungsfreigabe ausgenommen werden)

  • Widerspruchsregelung = Rechtsumkehrung: von herkömmlicher Opt-In-Regelung (Fotograf erlaubt Werknutzung) zur Opt-Out-Regelung (Fotograf muss widersprechen, wenn er eine Werknutzung nicht wünscht) stelle einen Einschnitt in die Rechte der Urheber dar, die oft keine Kenntnis von der Lizenzierung ihrer Bilder haben und nicht einschreiten können

  • Kritik an der Regelung der „mutmaßlich erlaubten“ Nutzung: Ein Bild bleibt künftig so lange auf einer Plattform veröffentlicht, bis der Urheber nachweist, dass die Nutzung nicht erlaubt ist (fragwürdiger zeitlicher und finanzieller Aufwand); ein Bild werde bereits zur mutmaßlich erlaubten Nutzung freigegeben, wenn der Nutzer eine Collage aus mehreren Bildern erstellt, ein Bild mit einem Text kombiniert wird oder der Nutzer den Upload schlicht als „mutmaßlich erlaubte Nutzung“ kennzeichnet und das Bild unter 125KB groß ist.
  • Unzureichende Abgrenzung von kommerzieller und nicht-kommerzieller Nutzung: Wann sind Einnahmen „unerheblich“? Vereine, Verbände, Stiftungen, Parteien und Behörden bräuchten künftig die Verwendungen von Werken auf ihren Social-Media-Plattformen nicht mehr gegenüber den Urhebern honorieren, da die Honorierung schon über die Pauschale der Plattformen in vermutlich geringerer Form stattfindet

  • Rechte Dritter und unklare Haftung bei Verstoß: Bei Fotos greift bekanntermaßen nicht nur das Urheberrecht; hinzu kommt, dass den Fotografen die Rechte nicht immer allein und uneingeschränkt vorliegen; wenn ein Kunde das ausschließliche Nutzungsrecht an den Bildern einer Produktion erwirbt, dürfen die Fotografen als Urheber Dritten keine Nutzungsrechte einräumen. Das UrhDaG aber ziele darauf ab, dass nicht-kommerzielle Nutzungen aller Werke auf den Social-Media-Plattformen legitim seien. Auch Hobbyfotograf/innen seien Urheber und schaffen Werke, die, sofern nicht widersprochen werde, lizenziert seien. Viele der Bilder dürfen aber aufgrund anderer Rechte wie Persönlichkeitsrechte nicht verwendet werden. Wer haftet für die Rechte Dritter?

  • Autonomieverlust gegenüber Verwertungsgesellschaften: Viele Urheber, Unternehmen und Agenturen seien dagegen, dass die Verwertungsgesellschaften künftig zu einer Art Agentur werden und sich um Lizenzierungen kümmern. Eine Art GEMA der Fotografie werde nicht nur von Fotograf/innen, sondern auch von etwaigen Unternehmen und Kommunikationsagenturen abgelehnt, die gern direkt mit Urhebern oder Bildagenturen zusammenarbeiten.

  • Finanzielle Einbußen aufgrund pauschaler Lizenzierung: Pauschalisierte Vergütungsschlüssel entzögen dem qualitativen, professionellen Werkschaffen die Grundlage

  • Keine Urhebernennung bzw. Erhalt der Metadaten: In Fotos hinterlegte IPTC-Daten (mit z. B. Kontaktangaben zum Urheber, abgebildeten Personen und Nutzungsrechten) werden von vielen Social-Media-Plattformen gelöscht: Wer wird im Rahmen der Plattformhaftung für die Urhebernennung verantwortlich sein?

Werkdatenbank als Lösung?

In ihrem umfangreichen Arbeitspapier, das Sie auf der Website fotografie-hat-urheber.de nachlesen können, macht das Quintett der Initiatoren einen Vorschlag zu einer ihrer Meinung nach besseren Lösung: ein Werkverzeichnis für alle aktiv lizenzierten Bilder, ggf. auch für nicht lizenzierte Bilder. In Zeiten gigantischer Bilderfluten kein kleines Unterfangen. „Es sollte für Plattformen oder eine andere Institution (wie zum Beispiel die Verwertungsgesellschaften) kein Problem sein, auch sehr viele Werke zu katalogisieren“, so Florian Sonntag und Kollegen, „eventuell mit einer Fingerprint-Technik, die nicht das ganze Bild katalogisiert. Immerhin werden von den Social-Media-Plattformen heute alle irgendwie greifbaren Daten und Bilder katalogisiert.“ Opt-In also anstatt Opt-Out, aktives Erteilen einer Nutzungserlaubnis, statt passivem Geschehenlassen.

Was tun? Sensibel bleiben, Rechte klären, Metadaten pflegen

So groß die Zweifel der Gruppe hinsichtlich des Sinns und der Verfassungsmäßigkeit des Gesetzes auch sind, fest steht: Das UrhDaG ist im Sommer 2021 in Kraft getreten, offene Fragen und Details zur Umsetzung werden derzeit teilweise noch geklärt. Wohin auch immer uns der Weg auf dem Bildermarkt auch führen wird: Bleiben wir sensibel für Urheberrechte, für Nutzungsrechte und Nutzungsgrenzen, stehen wir weiterhin für den Wert von Bildern ein und tun wir, was wir können, um Urheber und/oder die von uns lizenzierten Bilder zu schützen. Dazu gehört auch weiterhin die akribische Dokumentation der Nutzungs- und Lizenzbedingungen, eine sorgfältige Rechteklärung und eine gewissenhafte Pflege der Metadaten (Angabe zum Foto- bzw. Videografen, Releases, Lizenzen). Das gilt ebenso für Archivmaterial wie für Neuzugänge.

Dokumentieren Sie die erworbenen Nutzungsrechte für alle angekauften Medien: Jede Datei muss „wissen", wer sie erstellt hat, wer sie lizenziert hat und mit welcher Lizenz. Das gilt genauso für Fotografenverträge wie auch für Bildlizenzen, für Audio ebenso wie für Bewegtbild, für Bilder, die über eine Agentur kommen oder direkt vom Urheber. Sorgen Sie für ein sauberes Digital Rights Management: Prüfen Sie Ihre DAM, Ihr CMS, Ihre Pressestelle, damit keine Medien mehr herausgegeben werden ohne den beweisbaren Hinweis: „Diese Nutzung / diese Weitergabe des Bildes ist mit dem Urheber abgestimmt“.

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Veröffentlicht am Freitag, 07.01.2022 15:01
Kategorien: Thema des Monats Urheberrecht

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