Das Córdoba Urteil

 
Mittwoch, 22.08.2018

Anfang August fällte der Europäische Gerichtshof (EuGH) sein Urteil im Córdoba-Prozess. Ein Urteil, das zunächst banal zu sein scheint: Man darf ein geschütztes Foto nicht einfach so kopieren und veröffentlichen. Aber mit diesem Urteil wurde ein ganz, ganz großes NICHT aufgemacht. Und das ist gut so.

Worum aber ging es eigentlich? Eine Schülerin aus Waltrop hatte ein Referat über den Klassentrip ins andalusische Córdoba vorzubereiten. Als Impression zeigte sie ein Foto, das sie bei einem Reisemagazin online fand, angeblich ohne Nennung des professionellen Fotografen (der Name stand nicht am Bild, sondern der Artikel begann mit der Nennung des Textautors und des Fotografen). Beim Vortrag vor der Klasse mag das Zeigen eines geklauten Fotos eine Bagatelle sein und der Fotograf hätte es vermutlich nie herausgefunden. Da das Referat aber gelungen war, stellte die Schule es als PDF ins Netz – und wunderte sich über die nachträgliche Honorarforderung des Reisefotografen Dirk Renckhoff, der schon seit Jahren von Agenturen wie Alamy vertreten wird und natürlich Honorare für die Nutzung seiner Bilder verlangt – im Zweifel auch nachträglich. Dank der Google Bildersuche findet er ja auch nahezu sämtliche Online-Nutzungen seiner Bilder. Das Land NRW verlor jeden Prozess, ging in die Berufung, in Revision bis zum BGH und der reichte den Fall schließlich an den EuGH weiter.

Dirk Renckhoff, Stadtansicht von Cordoba
Foto: Dirk Renckhoff, Stadtansicht von Córdoba, Auslöser eines Prozesses, der mit einem Schüler-Referat begann und bis zum EuGH ging.

Der EuGH hat aber leider in den letzten Jahren einige Urteile gefällt, die den Schutz für Fotografen vor unerlaubten Veröffentlichungen von Bildern im Netz aushöhlen könnten. So wurde die gewagte These aufgestellt, dass es sich nicht um eine zusätzliche Veröffentlichung handelt, wenn bei gleicher Technik (offenes Web, keine Bezahl-Schranke usw.) das gleiche Publikum (alle Internet-Nutzer) erreicht wird, was ja beim Vergleich einer Schul-Website und eines Online-Reisemagazins gegeben sein könnte. Wäre das Gericht also dem Generalanwalt gefolgt, dann wäre jedes Bild – sofern einmal im Netz – vogelfrei. Das aber wäre sicherlich nicht im Sinne eines Fotografen oder eines Auftraggebers des Fotografen. Sophie Engelhardt, Fachanwältin für Medienrecht in der Hamburger Kanzlei Rasch Rechtsanwälte, dazu: „Zur allgemeinen Erleichterung hat der EuGH nun noch einmal klargestellt, was eigentlich selbstverständlich ist: Die Einstellung eines Fotos auf eine Website stellt eine öffentliche Wiedergabe im Sinne des Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29/EG dar, auch wenn das Foto bereits auf einer anderen Website mit Zustimmung des Urheberrechtsinhabers verfügbar ist. Das heißt, dem Fotografen wird durch die erstmalige Veröffentlichung seiner Aufnahme im Internet nicht die Möglichkeit genommen, weitere Einstellungen durch andere Nutzer zu verbieten oder (kostenpflichtig) zu erlauben.

Anders als Hyperlinks, die nach der Rechtsprechung des EuGH zum guten Funktionieren des Internets beitragen („GS Media", Urteil v. 08.09.2016, C-160/15), wurde zu Recht befunden, dass die streitgegenständliche Nutzungshandlung –Download des Fotos auf den eigenen Server gefolgt von dem Upload des Fotos auf eine neue Website – diesem Zweck nicht diene. Dies war ein Kriterium von mehreren, anhand derer der EuGH seine Entscheidung von denjenigen zur Verlinkung abgrenzte."

Im Cordoba Fall ging es um die tatsächliche Bilddatei, die die Schule anstatt einer Verlinkung oder Einbettung einfach kopiert und auf dem Server der eigenen Website abgespeichert hatte. Parallel dazu liefen und laufen aber noch andere Prozesse rund ums Thema Framing und Embedding. Der Unterschied: Das Bild bzw. der Film werden nicht kopiert, sondern eingebettet in die „neue" Website. Bei einem YouTube- oder Vimeo-Film ist der Fall ziemlich eindeutig: Sobald die Maus über dem Film liegt, ist YouTube präsent und wer möchte, kann dorthin wechseln und sich den Film im Vollbild anschauen. Bei Bildern aber ist das nicht so eindeutig. Wir sehen ein Bild auf einer Website und können nicht erkennen, ob das Bild auch dort gespeichert oder aber nur eingebettet ist. Eigentlich wäre auch das eine neue Nutzung, die der Fotograf genehmigen müsste. Dieser aber hat einen Vorteil: Sobald er das Bild vom Ziel-Server nimmt, klappt auch das Framing nicht mehr. So hat er zumindest noch die Kontrolle über das Bild und eine Bildbearbeitung ist unmöglich. Dennoch: Im Hinblick auf die Probleme rund um Framing und Embedding sagt Alexander Koch, Rechtsanwalt mit der Spezialisierung Urheberrecht, bis Ende 2016 Justiziar des BVPA und seit Anfang 2017 Justiziar der Allianz deutscher Designer eV. (AGD – koch@agd.de): „Die Cordoba-Entscheidung des EuGH lässt die Bildbranche etwas aufatmen, stellt aber nur einen weiteren Mosaikstein bei der Einordnung von Bildnutzungen und bei der Bestimmung von Nutzerkreisen im Internet dar. Die Entscheidung ist leider dahin zu verstehen, dass der EuGH weiterhin Framing bzw. Embedding von Fotos oder sogar ganzer Filme nur als Verlinkung und somit nicht als erneute Wiedergabehandlung ansieht. Weil ein Website-Betreiber mit der Einbettung eines fremden Bildes oder Filmes fremde Inhalte auf seine Site zieht und diese Element als eigene ausgibt, liegt weiterhin ein Unterschied zur Verlinkung zur Website vor. Wir sehen den Gesetzgeber weiterhin in der Pflicht, die Ausbeutung geschützter Inhalte über diesen technischen Umweg einzudämmen."

Egal wie man es nimmt: Der Urheber sitzt am kürzeren Hebel, denn das Internet macht einem das eigentlich unerlaubte Copy & Paste sehr einfach. Dirk Renckhoff musste sich dazu auch noch beschimpfen lassen: Der 73-jährige habe ja zum Glück nicht mehr so lange zu leben, er solle sich doch besser ans Fenster setzen und Kinder aus dem Hof verjagen, am Besten sich gleich aus dem Internet „verpissen", schrieb jemand über eine anonyme Email-Adresse.

Umso wichtiger also, den Schutz des Urhebers zu respektieren: Schließlich ist auch jeder Web-Designer, Grafiker, Texter und Kommunikator ein Künstler und muss von seiner Arbeit leben. In analogen Zeiten war das Kopieren eines Werks praktisch nicht möglich, ohne den Urheber zu fragen und im Zweifel auch zu honorieren. Heutzutage ist das der Job der Bildbeschaffer.


Veröffentlicht am Mittwoch, 22.08.2018 16:08
Kategorien: Thema des Monats Urheberrecht Bilderklau

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