Europäisches Urheberrecht: Die Uhr tickt
Im Zeitalter der Digitalisierung gehört die Markenkommunikation über Internet-Plattformen wie Facebook, Youtube oder Instagram zu einem wesentlichen Bestandteil zur Stärkung der Marke. Dabei ist der Markt schnelllebig geworden: Es wird mehr kommuniziert, es wird schneller kommuniziert, und das auf kürzestem Wege – und nicht immer unter achtsamer Berücksichtigung des Urheberrechts, also des Rechts, über die eigenen schöpferischen Leistungen oder Werke allein zu verfügen. So war es nur eine Frage der Zeit, bis sich das Urheberrecht einer Reform unterziehen musste. Am 6. Juni 2019 trat die EU-Urheberrechtsnovelle schließlich in Kraft – und mit ihr die zweijährige Frist zur Umsetzung in nationale Gesetze.
Mit der Reform soll also das Urheberrecht ins digitale Zeitalter überführt werden. Insbesondere in Deutschland wurde die Einführung der Novelle von lautstarken Protesten begleitet. Sie richteten sich in erster Linie gegen den Einsatz der umstrittenen Uploadfilter, die beim Hochladen von Daten auf Portalen wie Youtube automatisch prüfen sollen, ob das hochgeladene Material urheberrechtlich geschützt ist. Man witterte Zensur, automatisierte Fehlentscheidungen beim Einsatz von Algorithmen. Knapp drei Monate sind mittlerweile vergangen, seit die Urheberrechtsreform in Kraft getreten ist – und es scheint ruhig geworden zu sein um die Novelle. Stillstand? Die Ruhe nach oder womöglich vor dem Sturm?
Der Fachanwalt Lars Rieck, Hamburg, im Expertengespräch zwischen Bildbeschaffer und Medienrechtler
„Fast konnte man den Eindruck gewinnen, es sei so etwas wie eine Atempause eingetreten", bestätigt Lars Rieck, Fachanwalt für Urheber- und Medienrecht. „Doch schon im Mai hat Polen eine Klage gegen die Richtlinie vor dem EuGH eingereicht. Und das Bundesjustizministerium führt derzeit eine öffentliche Konsultation durch." Bedenkenträger seien aufgefordert, umfassend zur Reform Stellung zu beziehen. Nahezu utopisch, findet Rieck. Zum einen wüssten nur „interessierte Kreise" von der Möglichkeit, zum anderen fordere das Ministerium faktisch die Einreichung eines schon ausformulierten Gesetzentwurfs bis zum 6. September, also letzten Freitag. Zu wenig Zeit für einen zu hohen Arbeitsaufwand.
Keine Uploadfilter in Deutschland?
Als Experte im Bundesverband professioneller Bildanbieter (BVPA) verfolgt Rieck die Urheberrechtsnovelle auch mit Blick auf (Bewegt)Bilder und Uploadfilter mit großem Interesse. Als Paukenschlag im Bereich der Urheberrechtsreform bezeichnet er die kürzlich gefällte Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs zur Zitatfreiheit unter dem Stichwort „Afghanistan-Papiere". Der Fall: Die Funke-Mediengruppe wollte Papiere einsehen, das Urheberrecht wurde daraufhin von der Bundesregierung als Argument genutzt, sie nicht herausgeben zu können. Die Reaktion des EuGH: eine Rüge gegen die Bundesregierung, die sich – um die Veröffentlichung der Papiere zu vermeiden – blind auf das Urheberrecht berief und beispielsweise nicht prüfte, ob die Afghanistan-Papiere überhaupt die nötige Schöpfungshöhe erreicht haben, um als urheberrechtlich geschützt zu gelten. Was aber hat dieser Fall mit Uploadfiltern und Markenkommunikation zu tun?
„Das EuGH hat präzisiert, dass nationale Alleingänge, die faktisch hinter den urheberrechtlichen Mindeststandards der Reform zurückbleiben, unzulässig sind", so Rieck. Übertragen auf die Urheberrechtsreform bedeutet dies, der Artikel 17 muss ernst genommen werden. Er besagt: Betreiber von Plattformen wie Youtube oder Google sollen verstärkt in die Pflicht genommen werden, um den Urheberschutz von Werken zu gewährleisten. Deutschland darf auch in diesem Fall nicht im Alleingang einen Sonderweg einschlagen.
Wie können Sie sich jetzt vorbereiten?
- Dokumentieren Sie die erworbenen Nutzungsrechte für alle angekauften Medien: Jede Datei muss „wissen", wer sie erstellt hat, wer sie lizenziert hat und mit welcher Lizenz
- Das gilt für Fotografenverträge, Bildlizenzen, Ton, Film – egal, ob direkt oder über Ihre Agentur / Gestalter
- Sorgen Sie für sauberes Digital Rights Management: Prüfen Sie Ihre DAM, Ihr CMS, Ihre Pressestelle, damit keine Medien mehr herausgegeben werden ohne den beweisbaren Hinweis: „Diese Nutzung / diese Weitergabe des Bildes ist mit dem Urheber abgestimmt".
- Beobachten Sie: IPTC, schema.org, was passiert mit der YouTube Content-ID?
Was kommt auf Unternehmen zu?
Sollte es zu einer weitreichenden automatisierten Inhaltsüberprüfung beim Upload von Material im Internet kommen, wie es der Artikel 17 der Reform im Grunde vorsieht, wird es vermehrt zu sogenannten „false positives" kommen, also zu Upload-Blockaden aufgrund von Fehlannahmen durch Uploadfilter. Zudem gibt es noch kein weltweites Urheberrechtsregister, auf das Algorithmen von Uploadfiltern zugreifen könnten. „Es könnte in Zukunft von den großen Plattformen verlangt werden, dass Markennutzer schon beim Upload ihre Berechtigung beispielsweise in Form einer Lizenz nachweisen müssen", vermutet Rieck. „Das aber dürfte die Effektivität der digitalen Medienwirtschaft erheblich einschränken".
Ein Beispiel liefert der Fall um das Protestvideo „ Not Heidi's Girl" von der Organisation Pink Stinks gegen Sexismus bei Germany's Nest Topmodell. Der Spot wurde in einer RTL-Sendung eingeblendet – statt des Pink-Stinks-Logos versehen mit dem RTL-Schriftzug. Der Fingerprint-Bot von RTL glich daraufhin die eigenen Inhalte mit denen von Youtube ab und wies die Inhalte des eigentlichen Urhebers – der Organisation Pink Stinks – fälschlicherweise als ihre eigenen aus und ließ das Video für mehrere Stunden bei Youtube sperren.
Ähnlich verhielt es sich beim „Vogelgezwitscher"-Fall, der vor einigen Jahren durchs Netz kursierte. Ein Youtuber veröffentlichte ein Video und verzichtete dabei bewusst auf Musik, um eine Abmahnung zu verhindern. Im Hintergrund des Videos war lediglich Vogelgezwitscher zu hören. Nun aber claimte eine Werbeagentur das Vogelgezwitscher für sich, das Video wurde von Youtube daraufhin als geistiges Eigentum der Agentur abgemahnt. Vogelgezwitscher als musikalische Komposition? Eine Fehleinschätzung, wie die Werbeagentur später einräumte. Fälle wie diese aber, so die berechtigte Angst bei Unternehmen und Privatmenschen gleichermaßen, werden sich häufen, wenn erst einmal Algorithmen damit betraut werden, Urheberrechtsverletzungen bei Uploads zu prüfen.
Konflikte zwischen Urheber- und Markenrechte
„Vergewissern Sie als Markeninhaber sich, dass Sie auch die umfänglichen Nutzungsrechte an der (Wort-) Bildmarke haben", gibt uns der Anwalt Lars Rieck noch mit auf den Weg. Zwar kann nicht jedes Logo Urheberschutz genießen – so hat ein Quadrat mit einem Querstrich innen keine ausreichend hohe, sichtbare Schöpfungshöhe. Aber wenn es zum Beispiel eine filigran ausgearbeitete Zeichnung ist, dann sollte es auch einen umfassenden Lizenzvertrag mit dem Zeichner geben. Sonst hat man zwar eine schöne Marke, darf sie aber nicht mehr zeigen, wenn dem Urheber etwas zustößt und die Erben auf dumme Gedanken kommen.
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